Zur Darlegungslast, dass Autobahnparkplatz Brennpunkt für Diebstähle ist

LG Berlin, Urteil vom 13.10.2010 – 105 O 100/09

Zur Darlegungs- und Beweislast der Behauptung, dass ein bestimmter Autobahnparkplatz bekanntermaßen ein Brennpunkt für Diebstahlskriminalität sei (Rn. 13).

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. De Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientin.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten für die Beklagte und die Nebenintervenientin gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Klägerin ist – wie diese behauptet hat – alleiniger Transportversicherer der Firma … GmbH und hat diese Firma – nach ihrem Vortrag – wegen eines Transportschadens in Höhe von 19.637,60 EUR gemäß der Rechnung vom 12. Februar 2008 (Anlage K3) am 20. März 2008 entschädigt. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin beauftragte die Beklagte mit dem Transport einer Sendung bestehend aus 159 Packstücken LCD – Fernseher, 1.590 kg, von London zu ihr nach Berlin. Der Preis der Ware betrug ausweislich der Handelsrechnung vom 31. Januar 2008 (Anlage K4) 136.950,40 EUR. Die Beklagte wiederum beauftragte die Nebenintervenientin mit dem Transport.

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Der Fahrer der Nebenintervenientin stellte den Sattelzug über Nacht in Hannover auf dem unbewachten Autobahnparkplatz „…“ ab und legte sich gegen 00.00 Uhr in dem LKW schlafen. Die Parkbuchten neben dem LKW der Nebenintervenientin waren mit ähnlichen Planen-Sattelzügen besetzt. Am Morgen des 1. Februar 2008 um 07.00 Uhr stellte der Fahrer fest, dass die Plane des Sattelaufliegers an mehreren Stellen aufgeschnitten wurde und Ware fehlte.

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Die Beklagte wurde am 24. April 2008 in Regress genommen. Daraufhin zahlten die Beklagte und die Streitverkündete einen Betrag von insgesamt 4.995,27 EUR.

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Die Klägerin meint, dass die Beklagte sich im Streitfall auf die Haftungshöchstgrenzen der CMR nicht berufen könne; denn Leichtfertigkeit der Streitverkündeten beziehungsweise der Beklagten sei deshalb anzunehmen, weil das wertvolle und extrem diebstahlgefährdete Gut unter Benutzung eines Planenaufliegers transportiert und das Fahrzeug über Nacht auf einem unbewachten Parkplatz, der ein Kriminalitätsschwerpunkt sei, abgestellt worden sei.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an sie 14.642,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % seit dem 23. Mai 2008 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Streitverkündete hat sich dem Antrag der Beklagten angeschlossen.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihren Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein qualifiziertes Verschulden am Transportverlust durch Diebstahl ist dem Frachtführer / Spediteur nicht anzulasten.

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1. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass – mit Blick auf die bereits an die Klägerin geleisteten Zahlungen – und dem Umstand, dass es sich um einen grenzüberschreitenden Transport gehandelt hat, eine Haftung für den eingetretenen Transportschaden ausschließlich nach Art. 17, 29 CMR in Betracht kommt. Demnach ist es für die Durchbrechung der Haftungsbegrenzungen der CMR erforderlich, dass dem Frachtführer / Spediteur Vorsatz beziehungsweise Leichtfertigkeit, also grobe Fahrlässigkeit, zu der das Bewusstsein hinzutreten muss, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (vgl. BGH vom 20. Januar 2005, NJW-RR 2005, 1277 m.w.N.), anzulasten ist. Hiervon kann aber im Streitfall nicht ausgegangen werden.

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2. a) Die Klägerin ist ihrer Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf ein schuldhaftes Verhalten im Sinne des Art. 29 CMR nicht nachgekommen. Es ist nicht erkennbar, dass dem Frachtführer / Spediteur ein leichtfertiges Verhalten zur Last gelegt werden könnte. In diesem Zusammenhang fehlt es bereits an einer nachvollziehbaren Darlegung, dass es sich bei dem Parkplatz „…“ in Hannover um einen (wie von der Klägerin behauptet) Kriminalitätsschwerpunkt handelt und dass gegebenenfalls dieser Umstand dem Frachtführer / Spediteur bekannt war beziehungsweise hätte bekannt sein müssen. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Frachtführer den LKW mit einer vergleichsweisen wertvollen Fracht während der Nacht auf den Parkplatz abstellte, zumal – was zwischen den Parteien unstreitig ist – er sich nicht allein auf dem Parkplatz befand, sondern die angrenzenden Parkbuchten ebenfalls mit Sattelzügen besetzt waren, und der Fahrer selbst in dem LKW übernachtete. Letztlich kommt es nicht entscheidend darauf an, dass es sich um ein diebstahlgefährdetes Gut gehandelt hat; denn dieser Umstand war für Dritte ohne Zerstörung der Plane nicht erkennbar.

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b) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast (vgl. hierzu BGH vom 18. Dezember 2008, NJW-RR 2009, 751) genügt. Sie hat umfassend zum Schadensereignis vorgetragen und hat auch dargelegt, welche Sorgfalt der Frachtführer konkret aufgewendet hat.

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3. Ein Schriftsatznachlass zu den Hinweisen der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2010, die ausschließlich zwischen den Parteien seit langem streitige Rechtsfragen betrafen, war der Klägerin nicht zu gewähren. Vielmehr durfte die Kammer die mündliche Verhandlung schließen und das vorliegende Urteil verkünden. Denn es bestand in der mündlichen Verhandlung für die Klägerin ausreichend Gelegenheit, sich zu den Hinweisen der Kammer zu äußern. Dass die Klägerin zu einer entsprechenden Äußerung nicht in der Lage gewesen wäre, ist weder dargelegt, noch bestehen hierfür ausreichende Anhaltspunkte.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

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